Drei Jahre nach Einreichen des Antrags auf Genehmigung der Erdölbohrung in Otterstadt hat die zuständige Behörde diesem Antrag (den sogenannten Hauptbetriebsplan, HBP) des Konsortiums genehmigt. Gegen den HBP wurde durch den zuständigen Rechtsanwalt, der die Ortsgemeinde Otterstadt / Verbandsgemeinde Rheinauen bereits seit 2018 unterstützt, fristgerecht Widerspruch eingelegt. Dieser Widerspruch hat „aufschiebende Wirkung“. Die Ortsgemeinde muss entscheiden, ob sie juristisch gegen den HBP vorgehen will, d.h. Klage erheben will.
Das beantragende Konsortium besteht zu 51 Prozent aus Palatina Geocon (einer Tochtergesellschaft der Willersinn-Gruppe) und 49 Prozent aus der englischen Firma Neptune Energy. Neptune Energy gehört zu 49 Prozent einem chinesischen Staatsfond und zu je 25,5 Prozent zwei US-amerikanischen Private Equity Firmen.
Der pfälzische Teil des Oberrheingrabens soll durch die Errichtung von großformatigen Erdölförderanlagen (Fördermenge je Anlage: Einige 100.000 Tonnen pro Jahr, technisch möglich und nicht unrealistisch sind sogar über eine Million Tonnen pro Jahr) in mehreren Ortschaften in eine Erdölförderregion bisher nicht gekannten Ausmaßes verwandelt werden – und das für mindestens 30 – 40 Jahre. Diese Förderdauer bis jenseits des Jahres 2050 steht somit in krassem Widerspruch zu den aktuellen Klimazielen aller politischen Akteure.
In Speyer besteht bereits seit 2008 die drittgrößte Erdölförderung Deutschlands (bislang gefördert: 1,5 Mio t Erdöl)! Eine Kapazitätserhöhung um den Faktor 4-5 ist inzwischen genehmigt. Weitere Förderungen an anderen Stellen der Pfalz sind in Vorbereitung.
Neptune Energy Deutschland GmbH und Palatina GeoCon GmbH und Co. KG planen ca. 450 m vom Ortsrand Otterstadt und ca. 500 m vom Ortsrand Waldsee eine Erkundungsbohrung zur Aufsuchung von Erdöl. Falls die Bohrung fündig ist, wird man an dieser Stelle dauerhaft zunächst bis zu 500 t Erdöl täglich fördern (und somit über 150.000 t jährlich.), mit der Option der zeitlichen und mengenmäßig unbegrenzten Ausweitung über Jahrzehnte hinweg. Das steht in starkem Widerspruch zur Kommunikation des Landesamts für Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz (LGB). Diese behauptet, dass mit dem Hauptbetriebsplan nur das Aufsuchen des Erdöls genehmigt würde. Die dauerhafte Förderung läuft dann auf Basis von Sonderbetriebsplänen, deren Erteilung jedoch nur noch Formsache ist.
Geplantes Feld für die Erdölförderung zwischen
Otterstadt und Waldsee (Bildmontage)
Bildnachweis: IG KeinÖl Otterstadt/Erika Hettich
Das Konsortium hat aktuell für die zwei bestehenden Betriebsplätze in Speyer (Franz-Kirrmeier-Straße und Siemensstraße) eine zeitlich und mengenmäßig unbegrenzte Ausweitung über die derzeit geförderte Menge von 500 Tonnen täglich hinaus genehmigt bekommen. Der erste Schritt soll eine Erhöhung der Fördermenge um den Faktor 4 bis 5 sein, d.h. 2.000 bis 2.500 Tonnen täglich (bzw. mehr als 600.000 t jährlich)!
Die Stadt Speyer sowie die Ortsgemeinde Otterstadt und die Verbandsgemeinde-Verwaltung Rheinauen haben sich im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens 2018 gegen die Erweiterung ausgesprochen. Inzwischen gibt es auch eine Speyerer Bürgerinitiative gegen die geplante Ausweitung. Gegen die Fördermengenerhöhung sprechen u.a. die Freisetzung hoch toxischen Quecksilbers sowie eine erhöhte Erdbebengefahr. Da Speyer den Abtransport des Erdöls per LKW durch die Stadt nicht zulässt, ist eine starke Erhöhung des Gefahrstofftransports durch Otterstadt die Folge. Der im Juni 2018 stattgefundene öffentliche Erörterungstermin des LGB war aus Sicht der IG Keinöl und anderer Beteiligter eine Farce zugunsten der antragstellenden Unternehmen.
Durch die Genehmigung der geplanten Erdölbohrung in Otterstadt wird sich für Otterstadt somit eine Art Sandwich-Position in Sachen Erdöl ergeben: Die Erdölbohrung mit zeitlich und mengenmäßig unbegrenzt geplanter Ausdehnung auf mehrere Bohrplätze 450 m im Nord-Westen von Otterstadt sowie der von Speyer „umgeleitete“ erhöhte Schwerkraftverkehr im Süd-Osten – genau durch Otterstadt. Die durch die Förderung zu befürchtenden Gefahren durch Erdbeben, Schadstoffe usw. schließen Otterstadt von allen Seiten ein. Die Prüfung und Entscheidung darüber, ob und unter welchen Umständen die Erdölbohrung in Otterstadt genehmigt werden soll, hat jetzt das Landesamt für Geologie und Bergbau in Mainz getroffen.
Der Ausbau der Erdölförderung in Deutschland steht in krassem Widerspruch zur nationalen und europäischen Klimapolitik und zum Plan, aus fossilen Brennstoffen auszusteigen! Während der Wahlkämpfe vor den jeweiligen Wahlen schreiben sich alle führenden Parteien in Deutschland den Stop des Abbaus von fossilen Brennstoffen auf die Fahne. Allen voran die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz Malu Dreyer, die „in den nächsten Jahren noch mehr Tempo beim Klimaschutz“ machen will. Ihr Parteikollege und Generalsekretär der Bundes-SPD, Lars Klingbeil, fordert zudem aufgrund der akuten Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung bis auf weiteres den Verzicht neuer Erdöl- und Erdgasförderprojekte in Deutschland.
Leider klaffen auch hier Worte und Taten der Politik einmal mehr auseinander, denn die Landesregierung in Mainz unterstützt den Ausbau der Erdölförderung im eigenen Bundesland, der auf mindestens 30 – 40 Jahre angelegt ist. Dagegen wurde in Rheinland-Pfalz schon längst verabschiedet was andernorts noch diskutiert wird: Der Mindestabstand von Windrädern zu bewohntem Gebiet muss mindestens 1.000 Meter betragen. Die rheinland-pfälzischen Städte Speyer und Landau haben derweil den Klimanotstand ausgerufen und das, obwohl hier bereits direkt unter der Stadt bzw. im Umfeld Erdöl gefördert wird – in Speyer sogar unter dem UNESCO-Welterbe „Dom zu Speyer“.
Man nutzt die Ausrede, dass man nichts machen könne gegen das antiquierte Bundesberggesetz (BBergG). Die aktuelle geopolitische Lage tut ein übriges.
Klimaschutz, Umweltschutz und letztendlich die Schutzinteressen der Bevölkerung beginnen vor der eigenen Haustür. Insofern ist es wichtig alles zu tun, um diesen Schutz nicht nur zu propagieren, sondern ihn ernst zu nehmen und voran zu treiben. Dazu gehört, dass auch Gesetze immer wieder neu betrachtet und auf ihre Kompatibilität mit neuen Herausforderungen überprüft werden. Das Bundesberggesetz aus dem Jahr 1982, im Wesentlichen basierend auf dem Allgemeinen Berggesetz für die Preußischen Staaten von 1865, ist so ein Gesetz. Es basiert auf dem Zeitalter der Industrialisierung und muss in das Zeitalter des Klimawandels und -schutzes überführt werden. Offensichtlich ist der Druck auf die Politik in Deutschland hier noch nicht groß genug.
Der internationale Trend ist im Gegensatz dazu eindeutig. Die Nachbarländer Frankreich und Dänemark haben bereits den Ausstieg aus der heimischen Öl- und Gasförderung beschlossen. Sogar die Großen der Erdölindustrie wie Shell kündigen „das Ende des Ölzeitalters“ an. Shell-Vorstand Huibert Vigeveno spricht von einer historischen Zäsur: „die Bedeutung des Öl- und Gassektors wird weltweit abnehmen,
und andere Energieformen werden sie ersetzen“, so der Manager in einem Interview mit dem Handelsblatt (7.10.2020). Im Frühsommer 2021 hat nun sogar die weltweit anerkannte Internationale Energie Agentur den sofortigen Stopp des Ausbaus bzw. auch der Erschließung neuer Erdölfelder gefordert.
Die im Jahr 2015 gegründete Interessengemeinschaft „IG KeinÖl Otterstadt“ besteht aus Otterstädter Bürgern, die das geplante Erdölprojekt in Otterstadt kritisch hinterfragen. Bereits im Gründungsjahr führte die IG eine Unterschriftensammlung durch, in der sich insgesamt rund 1.200 Bürger gegen das Erdölprojekt aussprachen. Die Aktivitäten der Interessengemeinschaft umfassen verschiedene Ebenen und Aspekte. Dazu zählt der Kontakt zu den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern ebenso wie zu den beteiligten Verbänden und politischen Gremien auf kommunaler, Landes- und Bundesebene.
Auch unternimmt die IG juristische Schritte und diskutiert das Projekt mit den zuständigen Behörden, insbesondere zur Sicherstellung eines transparenten, rechtmäßigen Genehmigungsprozesses. Durch die fundierte, konstruktive Sacharbeit wurde die IG zum überregional gefragten und medial präsenten Ansprechpartner zum Thema „siedlungsnahe Erdölförderung“.
Der Versuch, mit Vertretern des Konsortiums eine ergebnisoffene
Diskussion über das Projekt zu führen, wurde leider seitens des Konsortiums abgelehnt. Auch eine Reihe „Offener Briefe“ an das
Konsortium blieben inhaltlich unbeantwortet.
Mit dem Schulterschluss der IG Kein Öl und dem Ortsgemeinderat Otterstadt wurde ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gemacht. Die von der IG Kein Öl seit Jahren gesammelten Fakten und daraus abgeleiteten Einschätzungen sind eine wichtige Grundlage der nun von der Ortsgemeinde Otterstadt beauftragten Prüfung einer Klage gegen das Erdölprojekt. Auch die Tatsache, dass alle Fraktionen der Ortsgemeinde sich in der Broschüre „Gerne und gesund leben in Otterstadt“ eindeutig gegen das Erdölprojekt stellen, darf als klare Positionierung in eine bürgernahe Richtung gewertet werden.
Um alle politischen Potenziale auszuschöpfen, wurden auch Aktivitäten auf Bundesebene angeschoben. Unter anderem wurde dem Mitglied des Bundestages Johannes Steiniger der Sachverhalt in einem kritischen Dialog persönlich nähergebracht.
Nur weil das geplante Erdölprojekt der öffentlichen Hand auch Steuereinnahmen bringt, ist es nicht akzeptabel, dass sich die Politik über den klaren Bürgerwillen einfach hinwegsetzen kann. Aus diesem Grund wurden vonseiten der IG Kein Öl echte Fakten gesammelt, die nun gemeinsam mit dem Ortsgemeinderat Otterstadt juristisch in die Waagschale gegen das geplante Erdölprojekt gebracht werden.
Die IG Kein Öl nutzt seit 2015 auch verschiedene mediale Kanäle, um die Öffentlichkeit in Bezug auf die Risiken einer ortsnahen Erdölbohrung zu sensibilisieren.
Neben einer von der IG Kein Öl durchgeführten Bürgerumfrage, die mit 1.200 Stimmen gegen die geplante Erdölbohrung sehr deutlich ausfiel, trat die Interessengemeinschaft in mehreren TV- und Radioberichten auf. Zudem wird auch die regionale Presse regelmäßig informiert, wenn es neue, aktuelle Ereignisse gibt, u.a. wurden mehrere Leserbriefe zu diesem Thema veröffentlicht.
Eine strukturierte und gezielte Öffentlichkeitsarbeit ist auch weiterhin notwendig, um die Bürger zu informieren, sie vielleicht auch zu motivieren, selbst mehr zum Schutz unserer Gemeinde beizutragen und schließlich den Politikern sowie den Behörden zu zeigen, dass der Widerstand gegen das geplante Erdölprojekt stetig wächst.
Links:
Links:
Otterstadt/Speyer
Offenbach
Die Interessengemeinschaft „IG Kein Öl“ (Otterstädter Bürger) hinterfragt das Projekt kritisch und bildet eine Opposition gegen das Konsortium. In einer 2015 von der IG durchgeführten Unterschriftensammlung sprachen sich insgesamt rund 1.200 Bürger gegen das Projekt aus. Ebenfalls sind der Ortsgemeinderat Otterstadt sowie die Verbandsgemeinde Rheinauen geschlossen gegen eine Erdölförderung in der Otterstädter Gemarkung. Der Otterstädter Ortsbürgermeister Zimmermann führte in seiner Rede beim Neujahrsempfang 2018 auf, dass es „viele gute Gründe gegen die geplante Bohrung gibt und das auch die Mehrheit des Rates so sieht“. Er stellte zudem die kritische Frage „wem nützt das Projekt? Die Antwort ist: Denjenigen, die damit Geld verdienen wollen. Und wem nützt es nicht, wem schadet es vielleicht sogar? Das sind unsere Umwelt und unsere Bürger“.
Aus diesem Grund wurde durch einen, aktuell noch einmal bestätigten, Ortsgemeinderatsbeschluss die Beauftragung einer renommierten Anwaltskanzlei zur juristischen Prüfung einer Klage gegen einen zukünftigen Genehmigungsantrag für eine
Erdölbohrung erwirkt.
25 Prozent der Otterstädter Gemarkung bestehen aus einem einzigartigen Rheinauenwald, der in dieser Größe kaum noch an anderer Stelle in Deutschland zu finden ist und eine große Artenvielfalt beherbergt. Um dieses besondere Gebiet zu schützen, hat der Ortsgemeinderat Otterstadt bereits ein Fünftel des Waldes unter eine absolute Hiebsruhe gestellt. Die Altrhein-Arme sind ein begehrtes Ziel für die Naherholung. Zu allen Jahreszeiten zieht diese einzigartige Naturlandschaft Menschen aus der Region sowie Touristen an. Diverse Camping- und Wassersportanlagen wie das Binsfeld (wenige hundert Meter von der Speyerer Straße entfernt) mit dem
Hotel-Resort-Spa Binshof, das Reffenthal und die Kollerinsel liegen in unmittelbarer Orts-Umgebung.
In Otterstadt gibt es etwa 40 Vereine mit zusammen weit über 1.000 Mitgliedern. Dazu gehören rund 10 Wassersport- und Camping-vereine, die sich in der landschaftlich reizvollen Gegend angesiedelt haben und mit hohen Standards die Umwelt erhalten
(Bsp. Blaue Flagge). Auch Vereine, die sich der Pflege oder der Bildung rund um das Thema Umwelt widmen, wie „Naturspur“,
oder der „Verein für Heimatpflege und Naturschutz Otterstadt“ sind in Otterstadt ansässig.
Die Gegend um Otterstadt zählt zum zentralen Ackerbauland entlang der Flussläufe in der Pfalz. „Die Ernährungswirtschaft in Rheinland-Pfalz ist ein bedeutender, mittelständischer Wirtschaftsfaktor. Sie gehört zum Kern der Wettbewerbs- und Leistungsfähigkeit der rheinland-pfälzischen Wirtschaft. … Das milde Klima, gute Umweltbedingungen, fruchtbare Böden, Bewässerungsmöglichkeiten,
… die Nähe zu den Verbrauchermärkten … bieten für die Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz gute Produktions- und Vermarktungs-
möglichkeiten.“1
Das antragstellende Erdölkonsortium rechnet für Otterstadt mit Bodensenkungen von ca. 4 cm in 10 Jahren bei einer Fördermenge von 500 t/d. Das sind ca. 13 cm in 32 Jahren, mit Erhöhung der Fördermenge ist dieser Wert schon deutlich früher erreicht. Die Betreiber halten die Möglichkeit einer solchen Senkung für relativ gering. Welche Folgen eine Bohrung in unmittelbarer Nähe eines Wohngebietes hat, ist aber unklar. Bisher wird nur von unbewohnten bzw. Industriegebieten um Speyer aus gebohrt. Die Bohrungen gehen allerdings auch hier bereits teilweise horizontal abgelenkt unter bewohnte Gebiete. Eine Garantie dafür, dass die Senkung nicht ungleichmäßiger oder doch größer wird wie vermutet bzw. dass sich die „planmäßige“ Senkung nicht auf das nahe Wohngebiet in Otterstadt auswirkt, gibt das Konsortium sicherlich nicht. Auch in anderen Regionen in Deutschland wurden Bohrungen in wohnungsnahen Gebieten durchgeführt, die im Vorfeld als unbedenklich galten und von den Genehmigungsbehörden „beaufsichtigt“ wurden. In Folge verursachten sie hohe Schäden und lösten z.T. jahrzehntelange Rechtsstreitigkeiten aus (Bsp. Staufen). Die Frage, wer Verantwortung im Schadensfall übernähme und in welchem Umfang haften würde, ist auch in Otterstadt unklar.
Viele Konsequenzen sind zudem erst mittel- bis langfristig sichtbar. Die Geologen des Antragstellers bestätigten im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung im Remigiushaus in Otterstadt in 2013, dass „keine langfristigen Erfahrungen der Erdölförderung aus dem in Speyer und Umgebung vorkommenden Gestein“ vorliegen.
Durch die hohe Lebensqualität sowie die hervorragende Anbindung an Bundesstraßen, die A61 sowie die Metropolregion Rhein-
Neckar, ist Otterstadt als Wohnort gefragt. Die Einwohnerentwicklung lag durch die Ausweisung von Neubaugebieten seit 1970 bei einer Zunahme von über 40 Prozent. Auch jetzt hat der Ortsgemeinderat im neuen Flächennutzungsplan die Ausweisung eines weiteren Neubaugebietes nach Westen vorgesehen. Otterstadt ist von Tiefgestaden umgeben, deshalb ist die westliche Richtung die einzige Möglichkeit für bauliche Entwicklung im Hochgestade. Leider liegt dieses Gebiet genau in Richtung des geplanten Erdölfeldes. Damit sind nicht nur alle aktuellen Bewohner von Otterstadt betroffen, potenzielle zukünftige Bewohner rücken noch näher an die geplanten Produktionsanlagen des Erdölkonsortiums heran. Ortsbürgermeister Zimmermann nahm in seiner Rede zum Neujahrs-
empfang 2018 diesen Aspekt ebenfalls auf und machte deutlich, dass dadurch „langfristig das bauliche Entwicklungspotenzial von
Otterstadt empfindlich eingeschränkt wird“.
Im engen Zusammenhang mit der Lebensqualität steht auch der Aspekt Gesundheit. Bei der Förderung von Erdöl kommen mit den Bohrschlämmen auch andere Stoffe an die Oberfläche, „diese Schlämme enthalten nicht nur Radionuklide (Anm. d. Red.: Natürliches, tief in der Erdkruste auftretendes, radioaktives und somit auch hochgradig gesundheitsgefährdendes Material – NORM), sondern auch giftige Schwermetalle wie Cadmium, Blei, Zink – und eben auch Quecksilber.“ 2 Den Antragsunterlagen des Betriebsplatzes Speyer ist ein hoher Gehalt von hochtoxischem Quecksilber im Erdölbegleitgas zu entnehmen. Hier wird Quecksilber in zweistelligen Kilogrammmengen pro Jahr „mit-gefördert“. „Quecksilber ist ein Schwermetall.
Es ist für den Menschen giftig.“ 3 „Bereits kleinste Mengen Quecksilber können zu Schädigungen des Nerven-, Atmungs- und Verdauungssystems führen.“ 4 Quecksilber bleibt auch nach dem Verbrennen in der Luft erhalten. In Speyer werden Bodenfackeln eingesetzt. Diese erhöhen die Gefahr, dass Mensch und Natur in Kontakt mit dem giftigen Stoff kommen. Genaue Angaben des Antragstellers über die detaillierten Quecksilberverbindungen sowie zur eingesetzten Technik der Abscheidung liegen nicht vor.
Eine einfache Entsorgung des Bohrschlamms gibt es nicht. Das zeigen Beispiele von Betriebsstätten in Norddeutschland und Sachsen-Anhalt. Mehrere Städte in Niedersachsen untersuchen stark erhöhte Krebsraten in der Bevölkerung, die in Zusammenhang mit der Förderung von Erdöl gesehen werden.5
„Lagerstättenwasser wird im Rahmen der Erdöl- sowie Erdgasförderung mitgefördert.6
An vielen Bohrplätzen in Deutschland stellt belastetes Lagerstättenwasser eine Gefahr dar. Besonders bei der siedlungsnahen Erdölförderung. Trotz modernster Bohrtechnik in Deutschland führen menschliches Versagen, technische Probleme oder ungeeignetes Material immer wieder zu Störfällen.
Tipp: Ein mögliches Szenario auch für die Erdölförderung in Speyer und Otterstadt: NDR, 19.3.2018: Die Tricks der Öl- und
Gaskonzerne – Verschmutzen und verharmlosen
https://www.youtube.com/watch?v=EoQEJwY26rw
Eine Gruppe ausländischer Finanzinvestoren aus China, Großbritannien und den USA will die Förderung von Erdöl in Deutschland vorantreiben und das trotz vieler negativer Auswirkungen der Erdölförderung in Niedersachsen. Bei den Investoren handelt es sich neben einem chinesischen Staatsfonds um zwei weitere ausländische Finanzinvestoren, die nach Definition der SPD auf der schwarzen Liste der besonders rücksichtslosen „Heuschrecken“ stehen. Nach 30-jähriger Erfahrung mit dem Thema, u.a. einigen ungeklärten Unfällen mit Bohrschlamm, verseuchtem Grundwasser und steigenden Krebsraten bei den Anwohnern forderten die niedersächsischen Landesregierungs-Parteien CDU und SPD vor kurzem einen gemeinsamen Antrag des Landtages an den Bundesrat zur Änderung des Bundesberggesetzes (BBergG).7 In dem Antrag forderten die beiden Fraktionen unter anderem, dass Gesundheits- und Trinkwasserschutz Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen bekommt, dass eine verpflichtende Öffentlichkeitsbeteiligung sowie grundsätzlich die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung stattfinden soll. Als Mindestabstand werden hier mindestens 2.000 Meter zur Wohnbebauung als notwendig angesehen.
In Rheinland-Pfalz platziert das Konsortium aus den Unternehmen Neptune Energy und Palatina GeoCon gleichzeitig ein Erdölfeld neben dem anderen mitten in dicht besiedeltem Gebiet und in teilweise lediglich 450 m Abstand zur Wohnbebauung. Bei bereits bestehenden Erdölbohrungen soll die Fördermenge sogar noch vervielfacht werden. Der aggressive Ausbau der groß-industriellen Förderung ist für mehr als 30 Jahre geplant und stellt den Umfang aller bisherigen Förderaktivitäten in den Schatten.
Anfang 2015 erteilte das Bundesverkehrsministerium einen Planungsauftrag für einen Wildtierübergang über die A61 zwischen Schifferstadt und Speyer. Bei einer Ortsbegehung bestätigte die damalige rheinlandpfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken die Bedeutung der Brücke, da „das Gebiet dort südlich des Mittelrheintales die einzige Stelle sei, an der der Wald bis an die A61 heranreiche und sie auf beiden Seiten begleite“. Voraussichtliche Kosten der Grünbrücke ca. 3,6 Millionen Euro. Das geplante Erdölprojekt in Otterstadt würde bei Realisierung allerdings mitten in dem noch einzig möglichen Wildtierkorridor zu den Rheinauen liegen und diesen damit quasi zerstören. Das betrifft u.a. auch die von der Deutschen Wildtier Stiftung zum „Tier des Jahres 2018“ ernannte Europäische Wildkatze. Der Landesverband des Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte für die Ölbohrung „einen sofortigen Stopp der Verfahren, bis deren Umweltverträglichkeit unter Beteiligung der Öffentlichkeit nachgewiesen ist.“ 8
Quellen:
Fotos – soweit nicht anders aufgeführt: